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»Shadows are present«

Margret Holz

07.02.23–14.03.23

Öffnet man die Eingangstür zur Galerie, eben noch geblendet vom leuchtenden  GE59-Schriftzug über dem Kopf, so tritt man ein in eine Welt der Schatten. Es ist die Welt der Künstlerin Margret Holz, die Schatten eine Form und eine haptische Qualität verleiht.

Den vorderen Raum der GE59 prägen Skulpturen aus Stahl, die ersichtlich miteinander korrespondieren. Beim Blick nach links fallen die »Shadow Corpora« ins Auge, zwei »Schattenkörper« also, erkennbar einander zugeneigt und offensichtlich in Beziehung. 

Daneben, deutlich filigraner, die  »Lineares«, Linien in Bewegung, verschlungene Schleifen aus Stahl, die an eine Lemniskate erinnern, an das Zeichen der Unendlichkeit.

In der Mitte dominiert »Running Shadow« den Raum, ein Objekt aus unter Hitze  geformtem und geschweißtem Stahl. Ein materialisierter Schatten unbekannter Herkunft, der erkennbar in Bewegung ist – und dabei selber Schatten wirft.

An der Wand zur Rechten: »Wandering Shadows«, ebenfalls flächig ausgeführte Stahlobjekte, die offensichtlich mit den »Running Shadows« in Beziehung stehen und die im Moment des konzentrierten Anblicks in Bewegung kommen. 

Das Sehen und Wahrnehmen, das Sich-Orientieren im Raum ist es, was der Betrachter:in hier abverlangt wird.  »Perception Art«, Wahrnehmungskunst also, hat Nancy Holt das einst genannt, die große amerikanische Lichtkünstlerin, von deren Arbeiten Margret Holz sich tief berührt fühlt.

Im hinteren Raum ziehen Druckgrafiken die ganze Aufmerksamkeit der Besucher:innen auf sich. Zur Linken die »Codes«, Holzschnitte, deren Ausgangsmaterial Eichenholz ist. Der jeweilige Druckstock wird von Hand gebrochen, wodurch scheinbar willkürliche Linien entstehen. Bruchkanten der Erinnerung?

Diese Assoziation liegt nahe, zeigt Margret Holz doch seit jeher Interesse an historischen Orten und Zusammenhängen. In hypothetischen Raumzeichnungen macht sie immer wieder Schatten der Vergangenheit sichtbar, die in die Gegenwart fallen. So auch in den beiden Werken »Cité Deux 1« und »Cité Deux 2« an der langen Wand, die mit der Drucktechnik »Hell auf Dunkel« von sich überlagernden Schichten der Geschichte in einer Stadt erzählen – in diesem Fall von Brüssel. 

Weiter geht es in der Werkstatt, wo Druckgrafiken und weitere skulpturale Arbeiten arrangiert sind. Zum schwarzen Stahl kommt hier das Eichenholz als prägendes Material hinzu.

Direkt gegenüber dem Eingang hängen drei »Porträts«, Reliefs aus Eiche mit markanten Stechbeitel-Spuren, die ins Auge springen und zugleich abstrakt bleiben. Die porträtierte Person muss man sich denken.

Anders im Werk daneben, wo ein Gesicht schon eher zu ahnen scheint. Kneift man die Augen zusammen, kommt etwas Maskenhaftes zum Vorschein – der Titel »Totem« weist darauf hin.

An der Wand zur Linken hängt ein Werk, das wiederum mit Ortsbezügen spielt. Lose aufgebaut auf dem Grundriss der Schinkelschen Bauakademie und einer Andeutung von Straßenschluchten, ist dieses »Minimalrelief«  entstanden. Die Kombination aus bearbeitetem Kiefernholz und Fotostreifen macht es zur Relief-Collage. 

Die dominierenden Objekte im Raum sind wiederum Skulpturen. In »Offenes mit Stele« wurde ein Hohlkörper aus Eichenholz mit der Kettensäge grob strukturiert und innen glatt geschliffen. Ihm zur Seite steht eine schlichte schwarze Stahlskulptur. »In Holz schneide ich, in Stahl konstruiere ich«, sagt Margret Holz. In diesem Werk kommen beide Arbeitsweisen vollendet zusammen.

Bei »Shadow Corpus« sind es erneut die Schatten, die zum Thema werden. Dieser »Schattenkörper« wurde ausgehöhlt und schwarz gebrannt. Durch das offene Volumen entsteht ein Schattenwurf in seinem Inneren und zugleich außerhalb durch den massiven Körper.

In Margret Holz’ Werken materialisieren sich Schatten und werden allgegenwärtig. Shadows are present! Bei den Besucher:innen dieser Ausstellung bleibt das noch lange so.

Margret Holz gibt Schatten eine Form und eine haptische Qualität. In ihrem Werk materialisieren sich die Schatten der Erinnerung und werden allgegenwärtig. Shadows are present! 

Margret Holz wurde 1942 in Gera geboren. Mit 17 Jahren begann sie ihr Studium im Fach Textildesign an der Fachhochschule für Kunst Hannover und entdeckte dort ihre Fähigkeiten in der Dreidimensionalität. Ein pädagogisches Studium an der FU Berlin und einige Jahre im Schuldienst führen sie an die Universität der Künste. Seit den 1980er Jahren entstehen bildhauerische Werke in Holz, Gips und Stahl.